Politiker von Union, FDP, Grünen und Linkspartei forderten eine rasche Aufklärung der neuen Vorwürfe gegen den deutschen Auslandsgeheimdienst, der mit einer Weitergabe kriegswichtiger Informationen den Waffengang gegen den Irak entgegen der offiziellen politischen Linie unterstützt hätte.
Die Darstellung der Zeitung sei falsch, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Montag in Berlin. Weder der Bundesnachrichtendienst (BND) noch die Regierung hätten den Plan bisher gekannt. Die "New York Times" berichtete dagegen unter Berufung auf einen Geheimbericht des US-Militärs, deutsche Agenten in Bagdad hätten den Verteidigungsplan für die irakische Hauptstadt beschafft. Ein deutscher Geheimdienstmitarbeiter in Katar habe dann etwa einen Monat vor Kriegsbeginn im Februar 2003 eine Kopie davon an den US-Militärgeheimdienst DIA weitergegeben.
Erst in der vergangenen Woche hatte die Bundesregierung betont, der BND habe den USA keine für die taktische oder strategische Kriegführung relevanten Auskünfte gegeben. Zugleich wurde in dem Regierungsbericht zur Rolle des BND im Irak eingeräumt, der Dienst habe "den Charakter der militärischen und polizeilichen Präsenz" in Bagdad beschrieben und auch Koordinaten zu den Aufenthaltsorten militärischer Kräfte, etwa irakischer Spezialtruppen, weitergegeben. Von der FDP hängt es nun ab, ob es einen BND-Untersuchungsausschuss geben wird. Die Fraktion der Liberalen will dazu in der kommenden Woche eine Entscheidung treffen.
BERICHT - PLAN GING ÜBER DIA ANS CENTRAL COMMAND
"Die Deutschen erhielten die Skizze von einer ihrer Quellen in Bagdad (Identität der deutschen Quellen unbekannt)", zitierte die "New York Times" mit Blick auf den Verteidigungsplan aus dem US-Geheimbericht. Ein deutscher Agent in Katar habe den Plan an einen DIA-Mitarbeiter weitergegeben, der im Kriegs-Hauptquartier von US-General Tommy Franks gearbeitet habe. Bei der Skizze handele es sich um den neuen Verteidigungsplan für Bagdad, den der damalige irakische Staatschef Saddam Hussein seiner Militärführung am 18. Dezember 2002 vorgestellt habe, berichtete die Zeitung. Er sehe nach Aussagen früherer irakischer Offiziere und Behördenvertreter vor, die Truppen an vier Verteidigungsringen um Bagdad zu sammeln. Der innerste Ring sei die "rote Linie" gewesen, die die Republikanergarden bis zum Schluss hätten halten sollen.
REGIERUNG - BND-MITARBEITER HABEN PLAN NICHT BESCHAFFT
Regierungssprecher Wilhelm wies dies zurück. "Die beiden BND-Mitarbeiter haben den Plan Saddam Husseins zur Verteidigung Bagdads nicht beschafft und haben auch nicht (...) bereits einen Monat vor Kriegsausbruch über Dritte dann diesen Bericht den USA übermittelt", sagte er. Auch der BND selbst erklärte, der Dienst habe den Verteidigungsplan weder beschafft noch weitergegeben. "Beides stimmt nicht, beides trifft nicht zu", sagte ein Sprecher. Ausweichend äußerte sich Regierungssprecher Wilhelm zu Fragen, ob möglicherweise ein anderer als der in der "New York Times" erwähnte Plan an die USA weitergegeben worden sei, und zu der Frage, ob der BND Kenntnis über Verteidigungspläne für Bagdad gehabt habe.
Union, FDP, Grüne und Linkspartei forderten eine rasche Aufklärung der neuen Vorwürfe. "Dass der Bericht zu 100 Prozent an den Haaren herbei gezogen ist, das glaube ich nicht", sagte der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach. "Teile des Berichts halte ich für plausibel, andere wiederum nicht." Er gehe davon aus, dass sich das Kontrollgremium des Bundestags mit dem Artikel befasse. Der FDP-Innenexperte Max Stadler sprach im Deutschlandfunk von einer dramatischen Wendung, sollte sich der Bericht bestätigen. Der Fraktionschef der Linkspartei, Oskar Lafontaine, erneuerte seine Forderung nach einem Untersuchungsausschuss. Das Grünen-Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG), Hans-Christian Ströbele, verlangte eine rasche Sondersitzung der Geheimdienstkontrolleure.
Mo Feb 27, 2006 5:16 MEZ