Bilder so kühl und kühn
In "Pechmarie", dem neuen "Tatort" aus Köln, ermitteln Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär vor ungewohnt minimalistischer Kulisse. Regisseur Hendrik Handloegten gönnt den Zuschauern Atempausen
Essen. Für das Kölner "Tatort"-Duo Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär ist es zwar schon Fall 34. Doch "Pechmarie" (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD) ist anders. Nicht unbedingt im Inhalt. Sondern in der für deutsche TV-Filme ungewöhnlichen Ästhetik. Regisseur Hendrik Handloegten setzt auf kühle, reduzierte, zum Teil streng durchkomponierte Bilder und liefert damit ein Werk im Kinoformat ab. Kurz: Wer die Arbeit von US-Regisseur und Produzent Michael Mann ("Heat", "Miami Vice") mag, wird auch die "Pechmarie" mögen.
Ein Vergleich, der Handloegten im WAZ-Gespräch schmeichelt, natürlich. Zumal diese Bildsprache bislang untypisch für ihn war. "Die Inspiration dazu kam durch die Entfremdung der einzelnen Figuren, die das Drehbuch vorgibt", erklärt er. Selbst Max Ballauf (Behrendt) und Freddy Schenk (Bär) scheinen sich diesmal nicht so nahe zu stehen, wie gewohnt.
Von allen verlassen agiert die weibliche Hauptfigur Sophie, ganz minimalistisch gespielt von Nicolette Krebitz. Die Kommissare müssen sie beschützen, weil sie annehmen, dass Heiner Wolff (Peter Moltzen) sie heimsuchen wird. Heiner hat mit Sophies Schwester Marie einen Juwelier vor einem Nobelhotel überfallen (in Wirklichkeit das Neanderthal-Museum), er hat einen Schuss abgekriegt, die Schwester ist mit den Diamanten getürmt. Heiner will von Sophie wissen, wo Marie und die Beute stecken.
Sophie wohnt im 20. Stock - was Handloegten und Kameramann Peter Przybylski eine willkommene Kulisse bietet. Sie zeigen den Betonklotz (das Kölner Axa-Hochhaus) wie ein Element eines konstruktivistischen Gemäldes. Sie zeigen Dietmar Bärs Profil vor kahler Wand und fahlem Licht, und das Ganze in aller Ruhe. "Wir wollten dem Zuschauer immer wieder Kontemplation gönnen, was ungewöhnlich für einen ,Tatort´ ist", sagt Handloegten. So können wir zwischen den Kapiteln der Story kurz entspannen, beobachten, wie Frachter über den Rhein schleichen, oder sehen schlicht Köln bei Nacht. "Man kann Köln viel großstädtischer fotografieren als Berlin", hat Handloegten festgestellt, "was daran liegt, das Köln eine viel engere Bauweise hat. Da sind dann ganz viele Lichter nah beieinander." Ein stilistisches Mittel, die Melancholie der Großstadt zu zeigen (wie es übrigens auch Michael Mann macht).
Vor diesem Hintergrund also entwickelt sich der Plot, und das mit einigen Überraschungsmomenten. Plötzlich wird Sophies Schwester tot am Rheinufer gefunden. Ein zwielichtiger Schauspiellehrer, ihr Ex-Freund, versucht, die Diamanten einem noch zwielichtigeren Hehler mit Wiener Schmäh zu verticken. Irgendwann stellt sich den Ermittlern die Frage, ob Sophie wirklich sauber ist. Derweil - eine Pointe am Rande - bricht bei Schenk der Scharlach aus.
"Ich war erstaunt, wie neugierig und offen die beiden Hauptdarsteller waren, und das trotz Folge 34", berichtet Handloegten von den 22 Drehtagen. "Pechmarie" ist sein erster "Tatort", und er hatte großen Respekt vor der "einzigen visuellen Institution" in Deutschland. Mit dieser kühlen und kühnen Arbeit ist Hendrik Handloegten in der ersten Liga deutscher TV-Regisseure angekommen.
waz ▪ 16.03.2006
Ihr 34. Fall
führt Ballauf und Schenk auch
an den Rhein. Dort trieb eine Leiche.