Mutter erdrosselt ihr Baby aus Angst um den Arbeitsplatz

Kollegen der Frau geben Polizei Hinweis auf die Tat - Leiche in Garage versteckt - 23jährige bleibt auf freiem Fuß

 

Eutin - Aus Angst um ihren Ausbildungsplatz soll eine 23jährige aus Eutin bei Lübeck ihren Säugling getötet haben. Die Tat sei kurz nach der Geburt Ende April geschehen, sagte ein Staatsanwalt in Lübeck der Deutschen Presseagentur und bestätigte Angaben des "Ostholsteinischen Anzeigers". Demnach hat die Kaufhaus-Auszubildende die Tat gestanden und Sorge um ihre berufliche Zukunft als Motiv angegeben. Kollegen hätten die Polizei alarmiert, als die junge Frau nach zwei Tagen Abwesenheit deutlich schlanker zur Arbeit zurückkehrte. Die bereits zweifache Mutter brachte das Kind offensichtlich ohne fremde Hilfe in ihrer Wohnung zur Welt und erdrosselte es mit einem Kleidungsstück. Die Kinderleiche habe sie in einer Garage versteckt.

Das tote Baby sei dort nach einer groß angelegten Suchaktion schließlich gefunden worden. Zunächst hatte die Polizei die Leiche im Garten des Hauses vermutet, das sich am Rande der Eutiner Innenstadt in einer gutbürgerlichen Wohngegend befindet. Das Kind ist mittlerweile beigesetzt.

 

Die 23jährige soll mit ihrem Freund zusammengelebt haben. Ob er von der Schwangerschaft gewußt hat, ist noch nicht geklärt. Bisher hätten die Ermittler keine Hinweise auf eine Mitwisserschaft oder Anstiftung zu der Tat, teilte die Lübecker Staatsanwaltschaft am Dienstag weiter mit.

"Das ist eine sehr traurige und tragische Geschichte", sagte der Fachbereichsleiter des Kreisjugendamtes, Heinz Welbers, der dpa. Neben der Angst um die Ausbildung habe auch die kriselnde Beziehung der Frau zu schaffen gemacht. "Sie hatte eine allgemeine Notlage. Dazu kam die Unfähigkeit, einen eigenen Weg zu suchen, das Kind zur Adoption freizugeben oder bei einer Babyklappe abzugeben."

Welbers betonte: "Die Frau ist keine gefährliche Gewalttäterin." Daher habe sich die Staatsanwaltschaft auch entschlossen, keinen Haftbefehl zu beantragen. Nach Einschätzung der Ermittler besteht auch keine Fluchtgefahr. Die Frau bleibt mit den beiden Kindern zunächst bei Verwandten und wird von Mitarbeitern des Jugendamtes betreut. Die Staatsanwaltschaft wird voraussichtlich Anklage wegen Totschlags in minder schwerem Fall erheben.

Ein Nachbar der Frau sagte der Zeitung: "Ich habe sie öfter gefragt, ob sie schwanger sei. Doch sie stritt das immer ab." Die 23jährige habe gern gearbeitet. "Sie muß sehr viel Angst um ihren Job gehabt haben."

Im Alter von knapp 16 Jahren soll die Frau bereits ihr erstes Kind bekommen haben. Daraufhin soll sie ihren weiteren Berufsweg vorerst abgeschrieben haben. Nach einer zweiten Geburt habe sie schließlich eine kaufmännische Ausbildung begonnen. Mit einem dritten Kind habe sie keine Perspektive mehr für ihr Leben gesehen, soll die junge Frau in ihren Vernehmungen gegenüber der Polizei ausgesagt haben. Eine Nachbarin erinnerte sich: "Ich habe sie manchmal mit ihren zwei Kindern vorbeilaufen sehen. Sie ist liebevoll mit ihnen umgegangen."

 

DW ▪ welt ▪ 10.05.2006