Der zehnte Bodensee-Tatort kreist um elementare Themen. Eva Mattes sucht in "Gebrochene Herzen"
Verzeihen zählt zu den größten Hürden, die ein Opfer, zumal das eines schweren Verbrechens, nehmen kann. Im zehnten Bodensee-Tatort "Gebrochene Herzen" (So., ARD, 20.15 Uhr), will niemand verzeihen. Kann niemand verzeihen. Die Friseurs-Familie nicht, dessen Sohn als sadistischer Vergewaltiger einsitzt. Das junge Mädchen nicht, über das der sich damals hergemacht hat. Die Hauptkommissarin nicht, die vom Mörder ihres Mannes um ein Gespräch gebeten wird. Klara Blums seelische Narbe ist für alle sichtbar - dank Eva Mattes. Die 51-Jährige erweist sich wieder einmal als Top-Besetzung für die Kripo Konstanz.
Es sind schon elementare Themen, um die Drehbuchautorin Dorothee Schön und Regisseur Jürgen Bretzinger ihren Tatort kreisen lassen: Vergebung und Vergeltung. Der erste Schuss fällt im Haus der Familie Hecht. Der Vater kann die Schmach nicht mehr ertragen, die ihm sein Sohn Matthias bereitet hat. Der Friseursalon ist Pleite, die Hechts geächtet - wer lässt sich schon die Haare von den Verwandten eines Kinderschänders schneiden? Der alte Hecht hält sich ein Gewehr an den Kopf und drückt ab.
Der zweite Schuss fällt auf dem Friedhof. Bei der Beerdigung von Vater Hecht steht zum Schluss der Sohn am Grab, angeblich resozialisiert und für diesen Tag auf Freigang. Eine Kugel zerfetzt die Halsschlagader des Beamten, der ihn bewacht, und bleibt dann im Kopf des Sohnes stecken. Der Polizist stirbt noch am Grab, Matthias Hecht kämpft auf der Intensivstation um sein Leben.
Ruhig, überlegt und hartnäckig wie immer packt Klara Blum den Fall am sonnigen Bodensee an. Schnell findet sie heraus: Eine Frau hat geschossen. Ist es das Vergewaltigungsopfer Leonie (Alice Dwyer), das vom Freigang ihres Peinigers wusste? Oder die Mutter, die ihre Tochter rächen will? Vielleicht die Mutter des Täters oder dessen Schwester, die überhaupt kein Mitgefühl mit ihm zeigen?
Es gibt nicht viele Schauspielerinnen in Deutschland mit der Mimik einer Eva Mattes. Wie sie es hinnimmt, dass die Witwe des getöteten Beamten ihr lautstark vorwirft, sie wisse nicht, wie sie sich fühle (dabei hat die Kommissarin auf die gleiche Art ihren Mann verloren). Wie sie sich von der ebenfalls ahnungslosen Verlobten des Vergewaltigers scheinbar teilnahmslos anhört: "Man muss den Tätern vergeben können, um selber frei zu sein." Solche Momente machen diesen oftmals ein wenig statischen Tatort stark. Das Konzept des Südwestrundfunks geht also wieder auf. "Wir wollten einen Personality-Tatort wie den vom NDR in der Zeit von Manfred Krug", erklärt SWR-Redakteur Ulrich Hermann die Besetzung mit Eva Mattes. Klara Blum sollte eine deutlich sinnliche Wirkung haben und selber betroffen sein. Und die Quoten geben allen Recht: Laut SWR hat jeder Bodensee-Tatort zwischen acht und neun Millionen Zuschauer.
Die werden über die Auflösung in "Gebrochene Herzen" staunen, denn es fällt tatsächlich noch ein dritter Schuss - er soll dem halbtoten Vergewaltiger auf der Intensivstation den letzten Rest geben.
waz ▪ Paul Binder
Auf dem Friedhof fiel der Schuss, der einen Beamten tötete und einen Häftling schwer verletzte: Die souveräne Klara Blum (Eva Mattes) und der stets etwas zu schick gekleidete Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) ermitteln. Foto: SWR