«Die Marke vom Doping distanzieren»
Aus der Radequipe T-Mobile wird – vorerst – das Team High Road, aus der bisherigen Adresse in Bonn eine kalifornische Anschrift in San Luis Obispo. Das ist die erste Antwort auf den sofortigen Ausstieg der Deutschen Telekom AG aus dem Radsport-Sponsoring. Bob Stapelton, der amerikanische Manager der Mannschaft T-Mobile, meldete aus den USA, alle mit dem bisherigen deutschen Team abgeschlossenen Fahrerverträge werde seine kalifornische Betreibergesellschaft Team High Road übernehmen. Das gelte auch für den Kontrakt des Teamchefs Rolf Aldag, der vor einem halben Jahr die Einnahme von Dopingmitteln gestanden hatte. Im Radsport-Weltverband UCI bemühe man sich stante pede um die Umbenennung der Mannschaft; im Besitz einer Pro-Tour-Lizenz für das Jahr 2008 sei man bereits.
Der deutsche Telekom-Konzern engagierte sich als grösster deutscher Sportsponsor seit 1991 auch im bezahlten Radsport. In den erfolgreichsten Jahren, als man 1996 und 1997 die Tour de France gewann, flossen bis zu 15 Millionen Euro pro Jahr in das Profiteam um Bjarne Riis, Jan Ullrich, Erik Zabel und Andreas Klöden. Zuletzt dürften es noch 12 Millionen gewesen sein. Dass man diese Zahlungen einstellt, begründet Hamid Akhavan, der Vorstandsvorsitzende von T-Mobile, so: «Wir haben uns zu diesem Schritt entschlossen, um uns und die Marke T-Mobile von den jüngsten Dopingerkenntnissen im Sport und speziell im Radsport zu distanzieren.»
Als im Juni 2006 Jan Ullrich wegen seiner offensichtlichen Verbindung zu dem Madrider Dopingunternehmen des Gynäkologen Eufemiano Fuentes von T-Mobile am Tag vor der Tour de France suspendiert worden war, schien es bald, als stecke die Mannschaft noch viel tiefer im Dopingsumpf. Im Mai 2007 bezichtigte sich dann der Däne Bjarne Riis des EPO-Dopings während der Tour 1996. Damals hatte er als Erster im Telekom-Trikot die «Grand Boucle» gewonnen. Inzwischen wird auch Ullrichs Erfolg im Jahr drauf heftig angezweifelt. Doch nicht nur von der Vergangenheit wurde die Telekom AG eingeholt, auch in der Gegenwart wurde es nicht besser. Der Dopingfall von Patrik Sinkewitz, im Juni im Tour-Trainingscamp in den Pyrenäen überführt, brachte das Fass zum Überlaufen. Zumal man sich zuvor schon mit dem Ukrainer Sergei Gontschar – wegen unregelmässiger Blutwerte – und mit dem Italiener Eddy Mazzoleni wegen dessen Verwicklung in die italienische Dopingaffäre «Oil for Drug» befassen musste.
Auf einmal schien der bisher so erfolgreiche Slalom zwischen Scheinheiligkeit, Dreistigkeit und Opportunismus nicht mehr möglich. Und so sprechen sie denn in Bonn endlich ehrlich davon, auch «gegenüber dem Kerngeschäft, und damit unseren Mitarbeitern, Kunden und Aktionären» eine Verpflichtung eingegangen zu sein. Dass es so kommen musste, war eigentlich seit Wochen nur eine Frage der Zeit. Dem deutschen Radsport wird dieser Rückzug freilich erheblichen Schaden zufügen, zumal bereits das zweitklassige Team Wiesenhof sein Engagement beendet hat und die Pro-Tour-Equipe Gerolsteiner 2008 definitiv zur letzten Runde startet. Was bleibt? Ein womöglich neues US-Team mit dem Lance-Armstrong-Intimus George Hincapie als Captain.
nzz, 27.11.