23. VORRICHTUNG FÜR DIE ANKUNFT VON GÄSTEN

Bei der heutigen Hochkonjunktur von Tourismus, Fernsehen, Radio und anderen Informationsmitteln ist es keine leichte Aufgabe, jemanden über etwas Unbekanntes ins Grübeln zu bringen. Nichts erregt mehr Staunen, und man kann sagen, daß „fast alle alles gesehen haben“ – vom seltenen Kunstwerk bis zum bizarren Meerestier, und wenn auch nur auf einem Foto oder dem Monitor.

Deshalb gilt es als aussichtslos, ja, sogar unangenehm, wenn man bei anderen Menschen starkes Interesse und den Wunsch wecken will, sich mit etwas Unbekanntem eingehend zu befassen. Im Gegenteil, wenn man heute Gäste einlädt, spricht man gemeinhin über lauter Dinge, die allen bekannt und bestens vertraut sind.

Genau diesen Umstand macht sich unser Projekt einer Vorrichtung zunutze, die sofort „in Kraft tritt“, wenn die „alles ganz genau wissenden Gäste“ eintreffen. Die „Vorrichtung“ besteht aus einer alten Sperrholzplatte, die lange im Regen gestanden hat und von der Sonne ausgedörrt worden ist. In deren Mitte wird ein willkürlich zugeschnittenes Stück Filz genagelt. Die Vorrichtung wird so an die Wand gehängt, daß die Polstersessel davor einen Halbkreis bilden. Die Gäste nehmen darin Platz, und von ganz allein – die Vorrichtung hat sich seit langem bewährt – beginnt ein Schwall von Mutmaßungen darüber, welche „allbekannten“ Vorstellungen und Bilder einem angesichts dessen, was da vor einem hängt, einfallen. Die Unsinnigkeit des Gebildes an der Wand löst ganz automatisch einen Strom banaler Assoziationen aus, und die Gäste lassen sich allmählich in ein unterhaltsames Spiel hineinziehen: Wie viele normale Geschichten lassen sich aus diesem ungewöhnlichen Anlaß erzählen?

E. Lisowskaja, Hausfrau, Tschkalowsk

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