Er hatte seine Frau beerdigt. Und da er sich im bürgerlichen Leben nicht gefestigt fühlte, erschreckte ihn der Akt der Grablegung, so wie ihn auch Kindtaufen und Hochzeiten entsetzten und jedes Geschehen zwischen zwei Menschen, wenn die Öffentlichkeit daran teilnahm und gar noch die Ämter sich einmischten. Dieser Tod schmerzte ihn, er empfand tiefste Trauer, würgenden Kummer, als der Sarg in die Erde gesenkt wurde, das Liebste war ihm genommen, und wenn auch das Wort durch Millionen Trauerkarten glücklicher Erben entwertet war, ihm war das Liebste genommen, die Geliebte wurde verscharrt, und das Gefühl für immer für immer verloren ich werde sie nicht wiedersehen nicht im Himmel und auf Erden ich werde sie suchen und nicht finden das hätte ihn weinen lassen, aber er konnte hier nicht weinen, obwohl ihn nur Frau Wilms auf dem Friedhof beobachtete. Frau Wilms war seine Aufwartefrau. Sie überreichte Keetenheuve einen Strauß geknickter Astern aus dem Schrebergarten ihres Schwagers. Zur Hochzeit hatte Frau Wilms einen ähnlichen Strauß geknickter Astern gebracht. Damals sagte sie: »Sie sind ein schönes Paar!« Jetzt schwieg sie.

wolfgang koeppen: das treibhaus*

link | 0 kommentare | kommentieren | lesen









Steve Bach: Leni. The Life and Work of Leni Riefenstahl.
Alfred A. Knopf, New York 2007. 388 Seiten, 30 US-Dollar.

eine kritik

link | 0 kommentare | kommentieren | lesen









link | 5 kommentare | kommentieren | lesen









Rotten tasteten sich hungernd im Land herum vom Harz her bis nach Schwaben; während manche sich stumpf forttrieben, verfielen andere einem Götzendienst, flüchteten verwildert zu Wald und Flurgeistern, Kobolden, Marzebillen, Wildschützen, Moosweibchen, schlichen gedrückt um Kreuzessäulen. Wo das Gesindel in die Städte hereinverschlagen wurde, wurde es wieder herausgepeitscht. Gerüchte von Kreuzschändung, Ausübung todbringender Malefize schleppten sie mit sich; man hing es ihnen an, aber vor manchen Städten wurden viele belauert, umstellt, nach kurzem Verhör aufgeknüpft, auch gerädert.

Wie anklagende Chöre erschienen Menschenscharen immer häufiger vor den Toren der größeren Städte; hinter ihnen her ritten Abgesandte ihrer Bischöfe Herren Fürsten, drohend, sie sollten an ihr Werk gehen, auf die Äcker, an die Mühlen, in die Bergwerke, warnend vor der Abwanderung. Sie wollten immer zum Kaiser, wußten nicht wozu. Der Kaiser war mächtig, seine Armada mächtig, er solle Frieden machen. Unterwegs sagten sie sich vor, was sie bedrückte: Kriegslasten auf ihren Schultern, Getreideabgaben, Abgaben für Fallholz, Schweinehafer, Kapaun, Kleinvieh, der dritte Pfennig vom Gemeindeholz, der kleine Zehnt, Salzsteuer, Brennöfen, Mühlen, Wegzoll, Jagdgeld, Marktgeld, Siegelgeld, Heiratsabgaben. Lachten, der Kaiser ist mächtig, er wird noch mehr können als dies.

döblin: wallenstein

link | 0 kommentare | kommentieren | lesen









aus einer buchbesprechung der nzz:

... in ihrer neuen Studie, die 2004 erschienen ist und nun auch in deutscher Übersetzung vorliegt, versucht sie, über Einzelschicksale hinauszugehen und den Hexenwahn auf die Nöte der Gesellschaft, die psychischen wie auch die materiellen, zurückzuführen. Entstanden ist eine spannungsvolle, dichte Erzählung über Menschen, die aus Angst kein Mitleid mehr kannten, geschildert am Beispiel des frühneuzeitlichen Süddeutschland.

Süddeutschland erlebte im 16. und 17. Jahrhundert massive Hexenjagden, die mehr Opfer forderten als anderswo; insgesamt wurden hier schätzungsweise neuntausend Menschen als Hexen hingerichtet. In Städten und Dörfern kam es zu Hexenpaniken; Katholiken wie Protestanten beschuldigten ihre Nachbarinnen und Verwandte der Hexerei, wie Roper ausgehend von Prozessen in Marchtal und Würzburg, Nördlingen und Augsburg zeigt. Mehr noch als etwa in Frankreich waren es in Deutschland zu einem grossen Teil Frauen, die Hexenjagden zum Opfer fielen. So konzentriert sich Roper vor allem auf diejenigen Phantasien, die mit Weiblichkeit zu tun haben.

Ropers wichtigste Quelle zur Ergründung der Phantasien sind Geständnisse, die der Hexerei bezichtigte Frauen vor Gericht ablegten ...

klingt spannend. da könnte man bestimmt auch einen sehr schönen leseabend mit musik draus machen.


Lyndal Roper: Hexenwahn. Geschichte einer Verfolgung. Aus dem Englischen von Holöger Fock und Sabine Müller. Verlag C. H. Beck, München 2007. 460 S. mit 66 Abbildungen

mit meiner vorleser-kollegin gesprochen: das sei eine gute idee | wir wollen das zum internationalen frauentag 2008 anbieten; als deko auf der bühne dann ein scheiterhaufen.

edit do_11:35

link | 0 kommentare | kommentieren | lesen









... Digby amüsierte sich vor den Pfälzern, daß dieser furchtbare Unruhstifter, diese männliche Kriegsfurie, der Maximilian, nicht aus dem Beten herauskäme; wenn man nach ihm frage, immer heiße es; er ist zur Messe, er hält Andacht, heute Beichte, morgen Beichte, der Herzog belagere förmlich den lieben Gott. Er witzelte in seiner selbstvergnüglichen Art: ob der Max vielleicht darum so viel bete, damit kein anderer an Gott herankäme.

herbert bayer: ›kreuzabnahme‹ [1940]

Schwere Luft wehte in München. Das mönchisch strenge Wesen des Hofes drückte auf die Stadt. Fensterln und Gunkeln war verboten, die üppigen gemeinsamen Badestuben aufgehoben; still trollten des Herzogs Maximilian einzige Freunde, die Brüder vieler Orden, Nonnen durch die Straßen der Stadt; Weibsen, die zu kurze Röcke trugen; Männer, die in Spinnstuben lachten, wußten, was ihnen drohte; in Eisen auf Wochen, wen die Lust anwandelte zu schuhplatteln.

Lord Digby zog in krebsrotem Gewand zu Roß über den Großen Markt mit einem Schwanz von zehn gemieteten Knechten, purpurn wie er; er mußte es tobend dulden, daß beim Aveläuten sich keulenbewehrte Büttel auf sie stürzten, sie auf die Erde warfen und nicht eher sich erheben ließen, als das Geläut zu Ende war. Vor den Obersten Hofmeister, den majestätischen hochgeborenen Grafen Johann zu Hohenzollern stürmend, fand er keineswegs ein Ohr; es schien sogar, als ob dieser Graf Mißfallen darüber empfand, daß die Büttel nicht auch ihn selbst niedergeworfen hätten. ...

döblin: wallenstein

link | 0 kommentare | kommentieren | lesen









warten lesen

nach den hygienischen übungen gestern bekam das auto heute neue reifen. warten beim bäcker gegenüber.

die 4 dummprolls am nebentisch lassen fragen aufkommen: wo gibts so klamotten, frisuren? woher haben die das geld für so viel telefonieren? dito: klingeltöne? »ich versuche die ganze zeit, disch anzurufen, alda. dein handy iss aus. wieso?«

Als es ruchbar unter den deutschen Fürsten wurde, daß über den Pfälzer Friedrich die Acht verhängt war, erschrak der alte Pfalzgraf Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg in seinem sonnigen weltabgelegenen Winkel.

immerhin: sie teilen sich eine bild-zeitung, dem verblödungsblatt entgehen so einnahmen. gut.

Zwischen seinen Schachteln mit Diamanten kramend, über geschnitzten Kirschkernen grübelnd, die Becher aus Rhinozeroshorn abtastend und versteckend, hörte er zitternd von dem großen Krieg, denn er war aus dem gleichen Hause wie der glanzvolle geächtete Mann, dem der Engländerkönig seine Tochter gegeben hatte. An seinen Ebenholzkrücken schlich er in seine Kanzlei über weite brütende Gänge, murmelnd und händeringend seinen Kanzler, den Sartorius aus Dillingen, zu befragen. Nichts lag ihm so

mit supa wegen der referrer telefoniert: hier seit gesern viele besucher von westropolis; ob er sich erklären könne, daß ich da auf die blogroll gerutscht sei ...

am Herzen, als daß alles im tiefsten Geheimnis bliebe, daß der Kanzler schwiege, daß man mehrere besondere Chiffernschlüssel anlege für diese Sache, daß auch die Söhne nicht eingeweiht würden. Besonders jener Sohn nicht, der mit einer herzoglich-bayrischen Prinzessin sich vermählt hatte, denn dieser war stolz und ehrsüchtig, ein Habenichts ohne den Vater, immer mit den Augen auf dem Glanz des Münchner Hofes, das versunkene versponnene Neuburg verachtend.

weiter: steinschlag reparieren.

«Der Krieg ist ein Totengräber», murmelte der Alte auf der verschlissenen Samtbank wichtig und hitzig zu dem Kanzler, «er sargt Leutchen ein, die eben noch mit graden Beinen tanzten, und uns alte Tröpfe holt er aus dem Kasten, lüftet uns; werden uns die Menschen, das Volk und die Stände, anstarren, daß wir noch leben. Der Philipp Ludwig von Neuburg! Ei, regiert denn der Wolfgang Wilhelm nicht, der wackere, der die Bayrische heimgeführt hat? Nein, der alte Philipp Ludwig hütet noch sein artiges Gärtlein, erfreut sich der Mispeln, Amaranthus und Tausendschöns wie einer. Sieh an, sieh an. Hat das große Sterben abgeschlagen, das Kriebeln und das böhmische Schafgift. Er lebt, Kanzler, ohne Zähne, am Stecken hängt er, die Finger krumm, die Knie krumm, der Darm will nicht. Der Kopf schläft uns den halben Tag und die ganze Nacht, kaum daß wir uns besinnen zu essen und Gott zu loben. Wir wären schon längst tot, wenn nicht unser Kämmerer wäre, der uns ein Gläschen Wein brächte von Zeit zu Zeit und die Beine einriebe.»

«Was wird Durchlaucht tun?»

«Warten, Kanzler, wie bisher. Wir haben Zeit, wir sind ja nicht jung. [...]

»die frontscheibe eines autos trägt bis zu 34% zur stabilität eines autos bei.«

döblin: wallenstein

link | 0 kommentare | kommentieren | lesen









lesen

anna gavalda: zusammen ist man weniger allein

ein sehr schönes buch, gut geschrieben, nette protagonisten: sie sind sympathisch, haben ecken und kanten; aber sie sind nicht ›echt‹, deshalb kein buch, was es bis zu einem literaturpreis schaffen könnte.

die letzten seiten fand ich etwas schwach, das ›happy ending‹ etwas zu dick aufgetragen. perfekt am strand, das buch.

sehr liebenswerte kritik von christine westermann.

link | 0 kommentare | kommentieren | lesen









die nzz schreibt über die lit.cologne.

link | 0 kommentare | kommentieren | lesen









In einer beachtlichen Reihe einander folgender Klavierlehrerinnen war Miss Welcome diejenige, bei der wir es am längsten aushielten. Sie war eine gefühlvolle Europäerin, die sich die Arme bis zwei Zentimeter unter ihre kurzen Ärmel kalkweiß puderte, mit Vorliebe hellrote Kleider trug und zum Unterricht in Turbans mit wehenden! Schleiern erschien. Sie roch immer nach Fisch und pflegte den Rhythmus mit ihren harten Knochenfingern auf unsere Rücken zu klopfen. Wurde sie von ihrem Temperament übermannt, wanderte sie im Zimmer auf und ab, die Schleier malerisch um ihr Haupt wehen lassend, die weiß bepuderten Arme gleich Dreschflegeln schwingend, und rief mit Kommandostimme im Takt: «Eins, zwei, drei und vier! Fühlen mußt du's! Füh-len mußt du's!» Zu unserem besonderen Entzücken brach sie manchmal ob unserer Fehler in echte Tränen aus. «Nein! Nein! Doch nicht b, sondern h!» klagte sie mit gebrochener Stimme, und bitterlich weinend schlug sie sich die Hände vors Gesicht.

Miss Welcome plagte uns nie mit Tonleitern oder Fingerübungen oder solch albernen Stücken wie «Für Kinderfinger». Wer bei ihr Unterricht nahm, begann vom ersten Tage an mit richtigen, handfesten, schwierigen Kompositionen richtiger, handfester, schwieriger Komponisten. Und wenn es den Schülern in der dritten Stunde noch nicht gelang, zum Beispiel die schnellen Läufe oder die vollen Akkorde RachmaninofFs Prelude in cis-moll vom Blatt zu spielen, strich Miss Welcome ohne mit der Wimper zu zucken die betreffenden Stellen. Mit derselben Kaltblütigkeit strich sie die tiefen oder hohen Töne eines Akkords, den unsere Finger nicht zu spannen vermochten. «Versuch's jetzt», befahl sie dann, und wenn es immer noch nicht klappen wollte, zückte sie den stets bereiten Bleistift und verurteilte den gesamten schwierigen Teil der Komposition zum Verschwinden. «Nun aber mit Gefüüüüüüüühl!» hieß es, und angespornt von unserer freudigen Erleichterung, hieben wir auf die Tasten und legten Gefühl in den kläglichen Rest der verbliebenen Noten.

betty mcdonald: betty kann alles

link | 0 kommentare | kommentieren | lesen





















letzte kommentare:

danke
exdirk | So. 18. Feb. 2024 06:28
Gratuliere sehr herzlich!
liuea | Sa. 17. Feb. 2024 18:48
thx! only a minor incident... ...
exdirk | Mi. 14. Feb. 2024 00:21
Au-ha. Besserung!
Lakritze | Mi. 31. Jan. 2024 06:39
ok (& thx).
exdirk | Do. 7. Sep. 2023 02:02
Doch, das ist er, lässt ...
bubo | Di. 5. Sep. 2023 12:18
bin mir nicht sicher [about ...
exdirk | Sa. 2. Sep. 2023 23:57
Oh, da ist doch auch ...
bubo | Mo. 14. Aug. 2023 09:26
Isso.
stapel | Do. 8. Dez. 2022 14:28
You can check out any ...
bubo | Do. 8. Dez. 2022 07:49
Wer hier wohnt, kommt nicht ...
stapel | Mi. 7. Dez. 2022 23:22
in meinem Kommentar fehlt das ...
liuea | Mi. 22. Juni 2022 06:16
Wien! Bad Gastein! Balaton! :)
liuea | Mi. 22. Juni 2022 06:14
Ja und nein. Die Seile ...
consoler | Mi. 1. Juni 2022 00:16
@iluea herr consoler meint 'kastriert' ...
exdirk | Di. 31. Mai 2022 23:57


einträge nach themen sortiert



 




kontakt:




weblogs:
dos ron
garbageman
frères goncourt
libralop
mark 793
mh
mutant
novemberregen
nase
plautze
stapel
zer o_c omments

fotoblogs:
black & white
cloudscapes
en détail
gerstensaft
interieur
mks
rost
schilderbilder



seit 8280 tagen



RSS Feed